Folgender Text ging heute an den Vorstand der Deutschen Bahn – er beschreibt ganz besondere Erlebnisse rund um das Thema „Bahnreisen“…
„Sehr geehrte Damen und Herren,
„Wir sind hier nicht die Bahn – die sind da gegenüber. Das Schild DB über unserem Tresen bedeutet nicht, das wir hier irgend etwas machen können…“.
„Gegenüber“ – damit war das DB-Reisezentrum gemeint. „Aber die haben jetzt schon zu.“
Können Sie sich vorstellen, was solche Sätze bei einem Bahnkunden auslösen, wenn er gerade realisiert, dass seine Ankunft am Sonntagabend nicht um 19:35 Uhr, sondern erst kurz vor Mitternacht sein wird?
Können Sie sich vorstellen, welche Außenwirkung das für Ihr Unternehmen bedeutet, wenn ein Mitarbeiter hinter einem „Informations-Tresen“ mit DB-Logo und DB-Farben in DB-Uniform dem hilfesuchenden Kunden sagt: „Wir sind hier nicht die Bahn“?
Jetzt könnte man sagen: Ein Einzellfall. Da, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler.
Aber der Grundtenor zieht sich leider durch unsere gesamte Reise von Hildesheim nach Bayreuth und zurück von Würzburg nach Hildesheim.
Der oben genannte Vorfall war nur der traurige Endpunkt einer langen Irrfahrt durch Ihre Service-Angebote.
Und daher schreibe ich Ihnen. Als Verantwortliche / Entscheider / Vorgesetzte müssen Sie wissen, dass es in Ihrem Unternehmen ganz erhebliche Defizite im Servicebereich gibt.
Dabei fing alles so gut an: Für unsere Radreise mit 4 Freunden am Mainradweg haben wir vor über einem halben Jahr ICE-Tickets gebucht. Das ging – online – reibungslos und einer Ihrer Mitarbeiter sollte später sagen: „Da haben Sie ja alles richtig gemacht…“ – wir sehen das heute etwas differenzierter.
Unsere Erfahrungs-Sammlung mit der gesamten Bandbreite der DB-Serviceangebote begann ca. einer Woche vor unserer Reise:
„Ihre Reise von Hildesheim Hbf nach Bayreuth Hbf am 21. Aug. 2024 ist wegen einer Fahrplanänderung nicht wie geplant möglich. Klicken Sie auf „Aktuelle Informationen hier abrufen“, um eine andere Verbindung zu Ihrem Reiseziel zu finden.“ Das Klicken über mehrere Buttons zeigt dann: „Zug fällt aus“.
Ich muss Ihnen ja nicht sagen, was der Wegfall eines ICE mit 4 gebuchten Fahrradstellplätzen eine Woche vor der Abreise bedeutet. Aus drei Stunden ICE-Bahnreise werden plötzlich 7 Stunden Nahverkehr – wenn es Plätze in der Regionalbahn gibt!
Also Anruf bei der Service Hotline. Es dauert immer 2:30 Minuten, bis man in die Warteschleife kommt. Diverse Vorab-Abfragen sind einmal noch okay, beim 7. Anruf wird’s aber nervig.
Es war nicht ganz einfach und es brauchte mehrere Anrufe und Mitarbeiter bis klar war: Der Zug fällt gar nicht aus! Er hält nur nicht (mehr) in Nürnberg. Das sei in der App „etwas missverständlich formuliert“. Ja. Das stimmt. Unterm Strich mussten wir aber doch mehr RE/RB fahren – doch dazu später.
Von nun an kam täglich eine Mail und ein Hinweis in der Navigator-App, dass mit unserer Verbindung etwas nicht stimmt (Zug fällt aus, Prüfen Sie!). Ich hatte also täglich einmal Kontakt mit Ihrem Service-Center und oftmals musste ich (!!) Ihre Mitarbeiter darauf hinweisen, das es den ICE 881 möglicherweise noch gibt, aber nur der Halt in Nürnberg entfällt. („Oh ja – da haben Sie recht…“). Irgendwann im Laufe der Woche vor der Abreise wurde dann aber aus dem ICE 4-lang auch noch ein ICE 1 ohne Fahrrad-Abteile. „Reservierungen entfallen“, war da zu lesen und auch hier musste ich Ihren Mitarbeiter zum ICE 881 führen, damit er mir sagen konnte: „Ihre Reservierungen bleiben erhalten“. Es wird ein Fahrrad-Abteil geben und die Reservierungen werden übertragen.
Am Ende war die Unterbringung im 6er-Kabinen-Abteil für die Räder zwar abenteuerlich, aber für uns war der Zweck erfüllt. Der ICE fuhr pünktlich und die weiteren Verzögerungen…
…RE hatte keinen Platz für 4 Räder (Wartezeit plus 1 Stunde)
…Signalausfall auf der Strecke (Wartezeit plus 45 min.)
…Umstieg von der (privaten) RB in den RE der Deutschen Bahn („der darf auch ohne Signale fahren, der schreibt jetzt einen Bericht und fährt dann los“)
sind quasi Business as usual und 2 Stunden Verspätung am Zielort muss man schon mit einplanen.
Die ebenfalls 6 Monate im voraus gebuchte Rückfahrt sollte mit 2 x ICE von Würzburg über Kassel nach Hildesheim nur von 17:12 bis 19:35 dauern.
Aber sie ahnen es schon: Es kam anders.
„Aufgrund einer Fahrplanänderung kann der Anschluss in Kassel-Wilhelmshöhe nicht mehr erreicht werden“,
hieß es 2 Tage vor unserer Rückreise.
Aber diese Information war wieder einmal…falsch. Allerdings brauchte es dafür wieder mehrere Anrufe bei der Bahn-Hotline (030 2970). Für den ICE ab Kassel-Wilhelmshöhe gab es einen Ersatzzug – und der hatte auch Fahrradabteile.
„Alles gebucht“, versprach der Mitarbeiter – „für Sie ändert sich nichts“.
Allerdings kam die Meldung auch am Folgetag und ich bemühte die App „Bahn-Experte“, die offenbar viel besser als die Bahn selbst über Änderungen informiert ist. Hier findet man: Zugtyp, Wagenreihung, Auslastung der einzelnen Wagen, aktuelle Wagenreihung u.v.m. .
Dort war zu lesen: Der Ersatzzug ab Kassel wird durch einen weiteren Ersatzzug ersetzt und der hat nunmehr: kein Fahrradabteil.
Diese Info besorgte ich mir selbst ca. 3 Stunden vor unserer Abfahrt in Würzburg.
Und nun?
Zuerst behauptete der Mitarbeiter, es gebe gar keinen Ausfall des Ersatzzuges.
„Bahn-Experte“ – was ist das denn für ne App?“, fragte er ungläubig.
Als ich ihm die Zugnummer des Ersatzzuges für den Ersatzzug nannte wurde es still am anderen Ende… „Oh…ja…stimmt…sehe ich jetzt auch...“
Und JA! Der hat kein Fahrradabteil.
Und jetzt?
Ich hatte mich ja schon informiert und befürchtete, dass uns jetzt ab Kassel eine mindestens dreistündige Umgehungstour mit Regionalbahnen nach Hause erwartete. Wir erinnern uns: Die Gesamtreise sollte nur 2:23 h dauern.
„Tja. Da kann ich Ihnen auch nicht mehr weiterhelfen. Wir können hier nicht buchen und verkaufen und ich sehe hier auch nicht, wo noch Plätze frei sind. Wenden Sie sich am besten an einen Mitarbeiter direkt im Reisezentrum“
Als brave Kunden radelten wir also deutlich vor der geplanten Abfahrt zum Bahnhof, um unsere Weiterreise ab Kassel zu klären.
Der Mitarbeiter am Schalter war freundlich und bemüht – aber helfen konnte er uns nicht.
„Ich schau mal bei bahn.de“, worauf ich ungläubig nachfragte: Das „bahn.de“, wo ich auch als Kunde gucke???
„Klar. Mehr als Sie kann ich hier auch nicht sehen…aber warten sie mal“, und er nahm sein Handy: „manchmal ist der Navigator besser.“
Die Navigator-App? Richtig. Genau die.
Ich habe jetzt gelernt: DB-Mitarbeiter stehen exakt die gleichen Mittel zur Verfügung, wie dem Kunden. Mehr nicht.
Wobei…es gibt da noch das „interne Buchungssystem“. „Aber das ist meist viel langsamer als die Online-Funktionen“.
Können Sie sich vorstellen, wie hilflos man in diesem Moment als Kunde ist?
Und es fällt ehrlich gesagt schwer, hier nicht wütende und ungerechte Dinge gegenüber dem freundlichen Mann am Schalter zu sagen…
Aber wir sind ja noch lange nicht fertig.
Irgendwie gab es „im System“ jetzt die Information, das der Ersatzzug für den Ersatzzug DOCH Fahrräder mitnehmt. „Steht hier so“. Wohl in Wagen 1 – die Meldung sei gerade reingekommen.
Immerhin: Da wusste endlich mal ein Bahn-Mitarbeiter mehr als wir, denn diese Info fand sich in keiner meiner Apps.
Geholfen hat es dennoch nix, denn die Bahn hat es kurz danach geschafft, sich selbst zu schlagen:
Der Zug, der um 17:12 Würzburg verlassen sollte fuhr jetzt erst um 18:02 Uhr los. Dabei sollte er pünktlich eintreffen. Aber in Würzburg war „Lokführerwechsel“ geplant.
Und womit reiste der Lokführer an?
Richtig – mit der Bahn.
Und kam die Bahn pünktlich?
Natürlich nicht.
Nein – dieser Text ist keine Drehbuchvorlage für eine neue Comedy.
Und doch wirkt es wie Satire, wenn das Zugpersonal des in Würzburg pünktlich(!!) einlaufenden ICE sich selbst wundert, dass es nicht weitergeht.
„Kein Lokführer? Echt? Wussten wir gar nicht…dann müssen wir ja nicht hetzen…“
Schön war dann auch die Szene, als der neue Lokführer endlich ankam und man sich fröhlich abklatschte: „Der tägliche Wahnsinn! Schön dass es jetzt weitergeht…“
Leider führte dieser „Wahnsinn“ dazu, das unser Ersatzzug vom Ersatzzug in Kassel natürlich lange weg war, denn der war leider relativ pünktlich.Wo sind die Verspätungen, wenn man sie mal braucht?
Hilfesuchend – gibt es doch noch eine ICE-Verbindung mit freien Fahrradplätzen? – wandten wir uns an den Mitarbeiter der „DB-Information“, der mit kompletter DB-Uniform hinterm Tresen saß und dann den eingangs zitierten Satz sprach:
„Wir sind hier nicht die Bahn – die sind da gegenüber. Das Schild DB über unserem Tresen bedeutet nicht, das wir hier irgend etwas machen können…“.
Auch dieser Mitarbeiter hatte Glück, dass bei mir die Resignation und der Rest guter Kinderstube über die Wut siegte. Ich bedankte mich freundlich und wir nahmen Aufstellung für unsere RE- und S-Bahn-Reise über Altenbeken (bei Paderborn), Hameln, Hannover nach Hildesheim.
Es gab auch nur eine „Signalstörung“ und die war offenbar schnell erledigt.
Um 23:41 kamen wir am Bahnhof an – über vier Stunden später.
Fazit unserer Reise:
- 7:30h für die Hinfahrt statt geplanter 5 Stunden
- 6:30 für die Rückfahrt statt geplanter 2:23 h
- unzählige Telefonate mit einer schlecht informierten Auskunft, jeweils mit mindestens 2:30 Minuten Wartezeit durch „Menü-Drückerei“
- „notfallmäßige“ frühere Ankunft in Würzburg Hbf, um mit dem Reisezentrum Details zu klären
- Mitarbeiter, die immer wieder erklären, sie könnten nicht weiterhelfen
- Mitarbeiter, die den Eindruck vermitteln, der „Wahnsinn“ habe bei der Bahn Methode
- Hilflosigkeit beim Personal, weil man am Tresen / am PC auch nur „bahn.de“ und die Navigator-App benutzt – so wie der Kunde auch
- Und als „Krönung“: Mitarbeiter, die trotz Uniform behaupten, sie gehörten gar nicht zur Bahn…
Das alles muss Sie als Verantwortliche, an die ich diese mittlerweile vier Seiten richte, in große Unruhe versetzen. So eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ ist kein Zufall mehr, erst recht nicht, wenn man mit anderen Reisenden ins Gespräch kommt.
Besonders schlimm ist es aber für uns Kunden, wenn auch die DB-Mitarbeiter das Gefühl vermitteln, das sei längst nicht mehr „ihr“ Unternehmen.
So etwas darf sie nicht unberührt lassen. Hier werden m.E. tiefe Risse in Ihrer Unternehmenskultur sichtbar. Für ein derart großes Unternehmen kann das auf Dauer nicht gut ausgehen.
Als Kunde wünsche ich mir:
- Mitarbeiter, die mir auch weiterhelfen können
- Mitarbeiter, die über fundierte Informationen verfügen (Echtzeit-Stellplätze für Fahrräder im ICE, Ersatzzüge und Möglichkeiten dort)
- Spezial-Regelungen für Spezial-Fälle: z.B. Räder auch in bereits ausgebuchten ICE´s mitnehmen können. Platz zwischen den reservierten Rädern gibt es – klappt im RE/RB ja auch mit „dicht an dicht“.
Ich hoffe sehr, Sie haben das alles bis zu Ende gelesen und noch mehr hoffe ich auf eine Antwort, die über einen Standard-Text hinausgeht. Denn eigentlich fahre ich gerne Bahn.
Übrigens: Ein Lob für die schnelle Erstattung von 50% des Fahrpreises. Aber auch das ist eigentlich keine wirklich gute Nachricht, denn womit will die Bahn noch Geld verdienen, wenn sie große Teile der Fahrpreise wieder an ihre Kunden zurück zahlen muss?
Mit freundlichen Grüßen
Alfred Flaccus